LEBEN-FÜHREN
83-Agile Transformation im wirklichen Leben
„Agile Transformation – Funktioniert das?“, habe ich mich zum Ende der letzten Episode gefragt. Heute habe ich gleich zwei Experten zum Interview eingeladen. Anke Heines von LEADaktiv kennen Sie schon; Markus Bleher, Geschäftsführer von HEMA, wird uns heute wie angeküdigt von der agilen Transformation in der Praxis berichten. Und das quasi live, denn sein Unternehmen befindet sich mitten in der Transformation. Vorher Die Firma HEMA Bandsägetechnik und Schneidsysteme war bis 2013 ein klassisches, kleinmittelständisches Familienunternehmen, mit etwa 50 Mitarbeitern. Die klassische Unternehmensführung für die Serienproduktion und seltene Sonderkundenwünsche hat fast 90 Jahre lang funktioniert. HEMAs Betriebsstruktur war für eine serielle Produktion ausgelegt. Niemand musste denken, höchstens der Kunde beim Bestellen. Die klassische Unternehmenshierarchie war steif, es gab schließlich auch keinen Grund dies zu ändern. Geschäftsleitung Betriebsleitung Leitung für: Einkauf, Fertigung, Konstruktion, Montage Mitarbeiter Sondermaschinen wurden selbstverständlich auch gebaut, Änderungen brauchten jedoch lange, um durch die Entscheidungsinstanzen kommuniziert zu werden, was einen erheblich längeren Lieferzeitraum beanspruchte. Wendepunkt Treiber für die Agile Transformation im Unternehmen Für Markus zählte nicht nur die Anpassung an die ökonomischen Anforderungen. Wichtige Fragen waren für ihn ebenso: Wo sehe ich das Unternehmen in 5 Jahren? Wie sieht meine Zukunftsvision vom Unternehmen aus? Befinde ich mich auf dem Weg zu dieser Vision? Vertraue ich meinen Mitarbeitern? Wie kann ich die Kompetenz meiner Mitarbeiter besser nutzen? Welches Unternehmen möchte ich an die nächste Generation weitergeben? Sollen fachlich kompetente Mitarbeiter in Führungspositionen gedrängt werden? Ist Führungsposition = soziale Anerkennung? HEMAS akuter Auslöser war ein russischer Großauftrag im Jahr 2013, der den Umsatz für dieses Jahr verdoppeln sollte. Es musste also eine Änderung her. Dass diese so radikal wird, haben selbst die Geschäftsführer nicht gedacht. Anke Heines und die Herausforderung haben jedoch überzeugt. Ergebnis: Ab 2013 hatten die Mitarbeiter prinzipiell keine Vorgesetzten mehr. Selbstverständlich gab es eine Ankündigung, Gespräche vorab mit der Belegschaft und Workshops, um die Mitarbeiter und auch die Chefs auf diesen Schritt vorzubereiten. Die Agile Transformation ist zu allererst ein kommunikativer Prozess. Herausforderungen Eine Agile Transformation passiert nicht ohne Herausforderungen – für den Chef UND die Belegschaft * Kontrolle abgeben * wechselseitiger Vertrauensvorschuss * sich auf Augenhöhe begegnen * mit Fehlern rechnen und diese zu schätzen wissen * Kommunikationsverhalten ändern * neuer Führungsbereich für den Chef: Mitarbeiterbetreuung und -coachings * neuen Wirkungskreis für alte Führungskräfte Den letzten Punkt möchte ich an dieser Stelle ausweiten. Wohin mit dem Führungspersonal? Die Firma HEMA hat sich dazu entschlossen, keine Mitarbeiter im Zuge der Agilen Transformation verlieren zu wollen. Es brauchte also neue Arbeitsplätze für die ehemaligen Führungskräfte. Und was liegt da näher, als sich deren Stärken genauer anzuschauen und anhand derer nach wertschöpfenden Bereichen zu suchen? Bei HEMA gab es z.T. sogar Positionen, die dringend besetzt werden mussten und für die diese Mitarbeiter optimal geeignet waren. Es wurden ganz neue Bereiche wie Aftersales integriert. Die Gehaltsfrage war dabei nebensächlich. Es hat sich schlichtweg nicht geändert, denn die Produktivität der Firma ist durch die Agile Transformation gestiegen.