Talentschmiede

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101: Native Speaker – nur ein Mythos?

February 17, 2016

Muttersprachler oder Native Speaker sind mit der Sprache aufgewachsen
Aufmerksam geworden bin ich durch einen Artikel auf der Seite Marocco World News. Und ich müsste sagen: mal wieder aufmerksam geworden, denn ich höre es ständig und von so vielen Menschen. Der Native Speaker scheint immer noch ein wichtiger Faktor für viele Sprachlerner zu sein.

Schauen wir uns das Thema Lehrer-Schüler mal etwas genauer an: Der Schüler will etwas lernen. Der Lehrer kann es bereits. Nun ja, ob der Lehrer es kann oder nicht, ist für den Schüler nicht wichtig. Die Tatsache, dass die Informationen, Fähigkeiten oder Kenntnisse bereits im Gehirn des Lehrers langfristig verankert sind, helfen dem Schüler nicht. Der Lehrer kann ja nicht einfach seine Kenntnisse in den Kopf des Schülers tun und fertig. Nein, der Schüler muss lernen. Lernen bedeutet Informationen aufzunehmen und langfristig zu verankern. Es würde also Sinn machen, wenn ein Lehrer diesen Prozess gut beherrscht. Er sollte also wissen, wie man lernt. Und so kann er dem Schüler beibringen, wie er zu lernen hat. Denn nur über den Prozess des Lernens wird der Schüler die Informationen aufnehmen können.

Was ist der Unterschied zwischen einem Native Speaker und einem Nicht-Native-Speaker?
Ganz einfach: Der Native Speaker hat es nicht so gelernt, wie der Schüler es lernen wird. So wie der Native Speaker die Sprache gelernt hat, werden nur seine eigenen Kinder die Sprache lernen – nicht aber seine Schüler. Der muttersprachliche Lehrer müsste also selbst bereits eine andere Fremdsprache gelernt haben, um zu verstehen wie Fremdsprachenlernen funktioniert. Allerdings gleich keine Sprache der anderen, und auch die Methoden sind von Sprache zu Sprache unterschiedlich. Die Methode, die der muttersprachliche Lehrer gelernt hat, ist also nicht unbedingt dieselbe Methode, die dem Schüler helfen würde.

Auf der anderen Seite hat der Nicht-Native-Speaker genau den Prozess durchlaufen, den der Schüler noch vor sich hat. Bingo!

Und was ist mit der Aussprache?
Stellen wir uns doch gleich wieder dieselbe Frage: Wie hat der Muttersprachler die Aussprache gelernt? Und wie sollte es der Schüler lernen? Siehe oben, würde ich sagen. Es ist dieselbe Problematik.

Viele Menschen argumentieren hier natürlich, dass die Aussprache natürlich so gut wie möglich sein sollten, damit man als Schüler möglichst nah rankommt. Nun ja, wenn ich genau den Akzent gern hätte, den der Lehrer hat … Und auch der Akzent des Muttersprachlers ist nur einer von Tausenden.

Und da ist auch die Vorannahme drin, dass man Aussprache über Nachahmen lernt. Dabei gibt es andere, sehr viel effizientere, Methoden die Aussprache zu lernen. Und sollte der muttersprachliche Lehrer mit eben diesen Methoden vertraut sein, dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob er Muttersprachler ist oder nicht.

Ja, aber die Redewendungen …
Es soll immer alles so authentisch wie möglich sein. Wie beim Sport wo man zuerst die kniffligen Tricks der Weltstars lernt und erst dann den Aufschlag oder den Freistoß übt. Nein, so funktioniert das nicht. Man kann auch in der dritten Klasse Mathematik noch nicht über Formeln sprechen, die Einstein aufgestellt hat.

Okay, okay, der Vergleich hinkt. Ich gebe es zu. Redewendungen sind wichtig und mindestens einige davon sollten auch schon am Anfang mitgelernt werden. Und warum brauche ich dazu einen Muttersprachler? Zum Thema Redewendungen haben wir vor gar nicht allzu langer Zeit eine Episode gemacht. Bitte mal reinhören!

Kann denn der Native Speaker überhaupt irgendetwas besser?
Nun ja, er lässt sich gut verkaufen. Eben weil es diesen Mythos gibt, kann man gut mit ihm werben. Und wenn ich einen Native Speaker als Lehrer gewinnen kann, der außerdem noch ein guter Lehrer ist, dann würde ich mich sicher für ihn entscheiden. Aus Schülersicht ist das nicht so wichtig.

Würde ich als Schüler nach einem Lehrer suchen, würde ich mich über dessen Methoden und vor allem auch über