Frauenleben. Inspirierende Frauen und ihre Zeit.

Frauenleben. Inspirierende Frauen und ihre Zeit.


Maud Gonne (1866–1953)

June 06, 2025

Maud Gonne war wohlhabende Engländerin und Protestantin – und kämpfte gleichzeitig als Journalistin und Schauspielerin für die irische Unabhängigkeit. Sie setzte sich für arme Pächter:innen und politische Gefangene ein. Ein hartes Leben, wie sie selbst sagte, aber das einzige, das sie führen konnte. Und was hat sie mit W. B. Yeats zu tun? War sie wirklich seine Muse?

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Maud Gonnes Autobiografie beginnt so:

I was returning from Mayo triumphant. I had stopped a famine and saved many lives by making the people share my own belief that courage and will are unconquerable and, when allied to the mysterious forces of the land, can accomplish anything.

Triumphierend kehrte ich aus Mayo zurück. Ich hatte eine Hungersnot beendet und viele Menschenleben gerettet, indem ich die Menschen an meiner Überzeugung hatte teilhaben lassen, dass Mut und Wille unbesiegbar sind und dass man, wenn man sich mit den geheimnisvollen Kräften des Landes verbindet, alles erreichen kann.

Geboren wurde sie im englischen Surrey am 21. Dezember 1866 als Edith Maud Gonne. Ihr Großvater mütterlicherseits hatte einen florierenden Handel mit Luxusgütern gehabt und war mehrere Millionen schwer gewesen, sodass die Familie sich keine Sorgen um Geld machen musste.

Ihr irisches Erbe

Gonnes irisches Erbe ist dünn: Nur ein Urgroßvater stammte aus Irland, doch wenn es darum ging, ihre Verbundenheit zum Land zu zeigen, übertrieb sie diesen Fakt gern oder sagte, das Blut ihrer englischen Mutter habe ihr geholfen, England zu verstehen und dessen guten Qualitäten schätzen zu können. Ihr irisches Blut jedoch zwänge sie, gegen die englische Herrschaft und Queen Victoria zu kämpfen.

Als sie ein oder zwei Jahre alt ist, wird ihr Vater Tommy vom Militär in Irland stationiert. Er nimmt seine Familie mit in einen Vorort von Dublin. Irland ist damals das ärmste Land Westeuropas und noch sehr ländlich geprägt. Ein jüngere Schwester, Kathleen, wird geboren, doch bei der Geburt des dritten Kindes sterben sowohl der Säugling als auch die Mutter.

Vater Tommy holt ein Kindermädchen namens Bowie für seine beiden Töchter, die jedoch nicht viel lernen, sondern recht wild an der Küste aufwachsen und viel Zeit draußen verbringen. Maud behält ihre Kindheit immer positiv in Erinnerung. Als Tommy ins Ausland (nach Österreich, Südafrika, Indien) versetzt wird, schickt er seine Töchter zu verschiedenen Verwandten nach London und Umgebung, aber es gibt auch lange Sommeraufenthalte in Südfrankreich, und die Wintermonate verbringen sie des Klimas wegen in der Schweiz. Bowie ist immer dabei, und Vater Tommy schreibt viele Briefe. Er gibt Maud, seinem „Lämmchen“, zwei Wahlsprüche fürs Leben mit:

Sie soll niemals vor irgendetwas Angst haben, auch nicht vor dem Tod. – Maud nimmt diese Aufforderung sehr ernst und stellt sich immer wieder selbst Mutproben (wie durch einen finsteren Wald zu laufen), um ihre Ängste zu überwinden. Der Wille ist eine seltsame, unberechenbare Kraft und viel stärker als die Umstände.

Von einer Tante lernt die heranwachsende Maud die Bedeutung von Schönheit: Männer können noch so hässlich sein, aber Frauen müssen sich – für die Männer – schön machen. Maud lernt sich zu schminken, sich modisch anzuziehen und das richtige Parfüm auszuwählen. Sie wird tatsächlich zu einer Schönheit, groß und schlank.

Belle of the Season

Als sie etwa zwanzig ist, wird Tommy als Assistant Adjutant General (der zweite Befehlshaber des britischen Militärs in Irland) wieder nach Dublin versetzt. Sie übernimmt für eine Weile die Rolle seiner Ehefrau, d. h. sie organisiert den Haushalt und kümmert sich um seine gesellschaftlichen Verpflichtungen. Sie gibt ihr offizielles Debüt in der High Society und wird zur „Belle of the Season“.

So könnte sie ein schönes Leben führen und ihren Reichtum genießen. Doch sie ist von Grund auf sozial eingestellt und gibt in ihrer Autobiografie als Auslöser für ihr Engagement ein Erlebnis auf einem Jagdball an. Zwei Männer unterhalten sich darüber, dass sie ein irisches Ehepaar, das das Land des einen gepachtet hatte, rausgeworfen hätten. Es sei wortwörtlich auf der Landstraße gelandet. Maud fragt die beiden Männer, ob man da nicht etwas machen, ob sie vielleicht helfen könne. Die Antwort: Lasst sie sterben. Diesen Menschen muss man eine Lektion erteilen.

Maud erkennt, wie privilegiert sie ist.

Mit ihrem geliebten Vater spricht sie über dieses Thema. Er ist als hochrangiger Militär natürlich auf Seiten der Kolonialisten, doch in ihrer Autobiografie schreibt sie, dass er sich sehr bewusst war, dass sie in Irland viel Elend anrichten.

Maud wird selbstständig

Bevor er jedoch seinen Worten Taten folgen lassen kann, stirbt er. Die beiden Töchter werden zu Onkel William nach London gebracht, der sie finanziell sehr kurz hält und behauptet, er habe kein Geld für die jungen Frauen. Als Gouvernanten können sie nicht arbeiten – wie es viele andere arme junge Frauen aus der Ober- oder Mittelschicht versuchen, wenn ihnen aus finanziellen Gründen nichts anderes übrig bleibt –, weil sie nicht viel gelernt haben.

Maud will sich als Schauspielerin versuchen. Als Onkel William das erfährt, schämt er sich so sehr für diesen unwürdigen „Beruf“, dass er Maud gesteht, dass ihr Vater ihnen in Wahrheit so viel Geld hinterlassen habe, dass sie beide ihr Leben lang nicht arbeiten müssten. Maud und Kathleen bleiben nicht mehr lang bei ihm wohnen.

Maud hat schon immer Schwierigkeiten mit ihrer Lunge. Auch eine Schauspielkarriere wäre deshalb wohl nicht auf Dauer möglich gewesen. Tuberkulose (wie ihre Mutter und Großmutter) hat sie wohl nicht, aber sie ist sehr empfänglich für Bronchitis und ähnliche Krankheiten.

Millevoye

Sie fährt zur Kur nach Royat in die Auvergne. Dort lernt sie Lucien Millevoye kennen, einen französischen Journalisten und Politiker, und beginnt mit ihm eine zwölf Jahre dauernde Affäre.

Millevoye ist sechzehn Jahre älter als sie, lebt von seiner Frau getrennt und hat einen Sohn. Er ist konservativ-nationalistisch eingestellt und wünscht sich Napoleon Bonaparte sowie Elsass-Lothringen zurück. Durch ihn wird sie endgültig zur irischen Nationalistin. Das passt gut zusammen, da Frankreich und Irland sich England als gemeinsamen Feind gegenüber sehen.

Irland und Frankreich gegen England

Bereits im Jahr 1798 fand in Irland eine Rebellion gegen die englische Herrschaft und für die Unabhängigkeit statt, unter anderem angeregt und unterstützt durch die Französische Revolution. Dieses Ereignis war zu Maud Gonnes Zeit nun fast 100 Jahre her, und die irischen Aktivist:innen bereiteten Jubiläumsfeierlichkeiten vor und wünschten sich ein Denkmal für den damaligen Anführer Wolf Tone.

Während der großen irischen Hungersnot von 1845 bis 1849 half Frankreich der irischen Bevölkerung mit Lebensmitteln. In diesen Jahren litt das Land unter der Kartoffelfäule – ganze Ernten fielen aus, was besonderes schwerwiegend war, weil viele Menschen Kartoffeln auch als Zahlungsmittel nutzten und nun selbst keine Kartoffeln mehr zu essen hatten, sich aber auch nichts anderes kaufen konnten. Währenddessen wurde alles Getreide und der Hafer nach England geschickt, um Steuern zu begleichen oder Profite zu machen. Etwa ein Viertel der irischen Bevölkerung, also etwa acht Millionen Menschen starben in diesen Jahren oder emigrierten. Noch heute leben in Irland deutlich weniger Menschen als vor dieser Katastrophe.

Auch die Revolution 1848 in Frankreich befeuerte noch einmal die irische Unabhängigkeitsbewegung.

Maud als Mutter

Aus der Beziehung mit Lucien Millevoye entstehen zwei Kinder:

  • Im Jahr 1890 wird Georges Ernest Silvere geboren und kurz nach seiner Geburt zu einer Pflegemutter gebracht. Er stirbt mit nur achtzehn Monaten an einer Meningitis. Auf dem Totenschein steht „Eltern unbekannt“. Maud Gonne hat sich zwar nicht viel um das Kind gekümmert, was zu dieser Zeit in ihrer Gesellschaftsschicht auch gar nicht erwartet wurde, zudem wäre ein uneheliches Kind ein Skandal gewesen. Doch sie trauert trotzdem nach seinem Tod und wird für kurze Zeit von Chloroform abhängig. Doch ihr starker Wille, den sie ja durch den Wahlspruch ihres Vaters stets gepflegt hat, hilft ihr, die Sucht wieder loszuwerden. Ihr Interesse an Wiedergeburt und Okkultismus wächst, auch das eine Mode der Zeit, die sie mit W. B. Yeats teilt. Doch dazu später.
  • Im Jahr 1894 ist sie 28 Jahre alt und bekommt eine Tochter namens Iseult. Die gibt sie jedoch lange Jahre als adoptierte Tochter oder Nichte aus, denn auch sie ist unehelich geboren. Sie bekommt ein Kindermädchen und eine Gouvernante und wird auch einige Zeit in einem Konvent erzogen.

Sie verbringt viel Zeit in Frankreich in Millevoyes Nähe. Paris zur Belle Époque ist reizvoll: Der Eiffelturm wird erbaut, genauso wie die Métro und die Oper. Künstler:innen wie Colette, Matisse, Renoir und Proust leben dort, auch die Curies forschen in der Hauptstadt.

Aber Maud Gonne reist viel zu gern, um lange an einem Ort zu bleiben. Während andere junge, unverheiratete Frauen aus der Oberschicht ohne Begleitung nicht einmal auf die Straße gehen, zieht es sie in die Ferne. Bis nach Konstantinopel schafft sie es. Einmal reist sie nach Russland, und zwar mit geheimen diplomatischen Papieren, die England schaden sollen.

Der Contemporary Club und Gonnes nationalistische Weiterbildung

Viel Zeit verbringt sie auch in Dublin. Die irische Hauptstadt ist deutlich kleiner als London oder Paris, und so kennt man sich dort. Sie knüpft Kontakte zu nationalistischen Vereinen wie dem Contemporary Club, die sie als Frau jedoch nicht aufnehmen. Als Gast immerhin darf sie an Debatten teilnehmen und erkennt, dass sie gut analysieren, Gemeinsamkeiten zwischen den Splittergruppen finden und Netzwerke organisieren kann.

Im Contemporary Club lernt sie wichtige Männer kennen:

  • John Francis Taylor ist Anwalt und vertritt republikanische Gefangene.
  • JohnO’Leary ist Leiter des Irish Republican Brotherhood und bringt ihr viel über irische Geschichte und Mythologie bei, denn wenn sie an der Seite der irischen Nationalisten kämpfen möchte, sollte sie natürlich möglichst viel über Irland wissen.
  • Douglas Hyde ist Professor für modernes Irisch am University College und versucht, ihr Irisch bzw. Gälisch beizubringen. Aber sie ist schlecht darin und entscheidet, dass sie sich eher dem politischen statt dem kulturellen Aktivismus widmen will.

Sie wird von der Polizei schnell als neue Kraft in der nationalistischen Bewegung erkannt und schon bald genauso beobachtet wie ihre männlichen Kollegen. Ihre Wohnung in der Nassau Street wird zu einem beliebten Treffpunkt, und sie macht sich einen Spaß daraus, die Polizei an der Nase herumzuführen, indem sie sich verkleidet oder aus dem Hinterausgang verschwindet.

Heldin in Donegal – Maud als „woman of the Sidhe“ oder Jeanne d’Arc

Nun kommt Maud Gonne auf die auf die Straße gesetzten Pächter:innen auf dem Land zurück. Besonders im County Donegal leiden die Menschen unter den englischen Gesetzen: Sie bekommen keine schriftlichen Verträge und haben auch kein Recht darauf. Nach spätestens zwölf Monaten können sie einfach gekündigt werden und erhalten natürlich auch kein Geld für Verbesserungen am Land. So müssen sie ihre kleinen, armseligen Hütten mit Lehmböden verlassen und landen wortwörtlich auf der Straße oder im Armenhaus, wo sie nicht einmal als Familie zusammenbleiben können. Die meisten sind zudem noch Katholik:innen, die unter weiteren Verboten und Repressalien leiden.

Maud Gonne organisiert Hilfsaktionen, hilft aber auch selbst beim Bau neuer Hütten mit. Von den armen Menschen bekommt sie den Namen „the woman of the Sidhe“. Die Sidhe sind ein mythisches Volk, das vor allen Menschenvölkern zuerst in Irland (Erinn, wie es auf Gälisch heißt) lebte. Die schöne, große Frau streift in eleganten Kleidern herum, spricht in ihrem eleganten Ascendandy-Akzent und hat stets eine stattliche Dogge bei sich, die sie nach einer keltischen Gottheit Dagda benannt hat. Ob Sidhe-Frau oder Jeanne d’Arc – Maud Gonne gefällt sich offensichtlich in dieser halb königlichen, halb göttlichen Position.

Riders of the Sidhe von John Duncan, 1911

(Jeanne d’Arc oder Johanna von Orléans wird übrigens gerade um diese Zeit vor dem endgültigen Vergessen gerettet. Aus einer Verräterin, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, wird 1909 eine Selige und 1920 eine Heilige der katholischen Kirche.)

Auf der Bühne und in der Zeitung

Aber Maud Gonnes Lunge macht ihr weiterhin zu schaffen: Sie hustet Blut und kriegt keine Luft. Das Klima in Donegal schadet ihr.

Millevoye kann sie schließlich überzeugen, besser journalistisch-propagandistisch statt körperlich zu arbeiten. Sie hält erste Reden zu den schlechten Bedingungen der Landarbeiter:innen und merkt, dass sie gern vor Menschen spricht. Bald muss sie nach Frankreich fliehen, um in Irland einer Verhaftung wegen aufrührerischer Tätigkeiten zu entgehen. Dort geht sie auf Vortragstour, um sich die Unterstützung der französischen Bevölkerung (und auch Spenden) zu sichern.

Maud Gonne schreibt Artikel für französische und Zeitschriften und Zeitungen, weiterhin über die Rauswürfe der Pächter:innen, aber auch über das ungerechte Gefängnissystem und politische Gefangene, die generell als Terroristen verurteilt und besonders schlecht behandelt werden.

Sie gründet in Frankreich selbst eine Zeitung namens L’Irelande Libre und schreibt für den United Irishman, eine große Publikation die recht feministisch eingestellt ist.

Gonnes Antisemitismus

Das Jahr 1894 war das Jahr der Dreyfus-Affäre, eines Justizskandals, der Frankreich erschüttert. Der Hauptmann Alfred Dreyfus wurde wegen angeblichem Landesverrat verurteilt, trotz rechtswidriger Beweise und zweifelhafter Handschriftengutachten. Er wurde öffentlich degradiert, verhaftet und verbannt. Erst nach langer Zeit wurde das Urteil wieder aufgehoben und er in die Armee wiederaufgenommen und befördert.

Viele hatten ihn verteidigt, unter anderem auch der Schriftsteller Émile Zola in seinem berühmten Zeitungsartikel „J’accuse“. Doch Dreyfus war Jude, und so hetzten Presse und Politiker gegen ihn. „Die Juden“ wurden in Frankreich schon für Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und die Auflösung der Dritten Republik verantwortlich gemacht. Außerdem hätten sie natürlich die Banken übernommen und seinen am wirtschaftlichen Elend des Landes schuld. All diese Verschwörungstheorien trafen auch Dreyfus.

Maud Gonne war für Antisemitismus auch anfällig. War sie doch sonst immer für die Underdogs, so glaubte sie, Dreyfus müsse schuldig sein, nur weil er Jude ist. Außerdem tritt sie um diese Zeit aus dem „Order of the Golden Dawn“ aus, einem heimlichen Orden für Magie und Okkultes, weil die sich an der jüdischen Kabbalah orientierten.

Sie selbst hat wohl persönlich keine schlechten Erfahrungen mit Jüd:innen gemacht, sondern folgt einfach der „Standardeinstellung“ der Gesellschaft. Im Übrigen vereint sich die irische Regierung später im Zweiten Weltkrieg (den Maud Gonne auch noch erlebt) nicht mit England gegen Nazi-Deutschland, sondern bleibt neutral. Weniger neutral ist es, dass Irland zu Hitlers Tod kondoliert.

Das Diamantene Jubiläum der Queen of Hungersnot

Im Jahr 1897 findet Queen Victorias Diamond Jubilee statt und soll auch in Dublin gefeiert werden. Maud Gonne organisiert eine Gegendemonstration: Auf eine dunkle Fassade projiziert sie mit einer magischen Laterne Bilder von Menschen, die durch die britische Herrschaft gestorben sind, und sie hält eine Rede: Die Herrschaft der englischen Königin habe mehr Ruin, Elend und Tod über Irland gebracht, als es das Land jemals zuvor erlebt hätte. Unter dem Titel „The Famine Queen“ veröffentlicht sie einen Artikel im United Irishman:

And in truth, for Victoria, in the decrepitude of her eighty-one years, to have decided after an absence of half-a-century to revisit the country she hates and whose inhabitants are the victims of the criminal policy of her reign, the survivors of sixty years of organised famine, the political necessity must have been terribly strong; for after all she is a woman, and however vile and selfish and pitiless her soul may be, she must sometimes tremble as death approaches when she thinks of the countless Irish mothers who, sheltering under the cloudy Irish sky, watching their starving little ones, have cursed her before they died.

Dass Victoria mit 81 Jahren nach einem halben Jahrhundert Abwesenheit entschieden hat, das Land zu besuchen, das sie hasst und dessen Einwohner:innen Opfer ihrer kriminellen Regierungspolitik sind und die Überlebenden nach sechzig Jahren organisierter Hungersnot, kann nur bedeuten, dass die politische Notwendigkeit riesengroß sein muss; denn sie ist schließlich eine Frau, und so abscheulich, egoistisch und mitleidlos ihre Seele auch sein mag, so muss sie doch nun, da ihr Tod näher rückt, manchmal erzittern, wenn sie an die zahllosen irischen Mütter denkt, die unter dem wolkenverhangenen irischen Himmel zusehen müssen, wie ihre Kleinen verhungern, und sie vor deren Tod verflucht haben.

Im selben Jahr macht Maud Gonne eine weitere Vortragstour, dieses Mal zwei Monate durch die USA, wo sieben Millionen Ir:innen leben, die finanziell und politisch eine Rolle spielen könnten. Sie betont auch hier die Gemeinsamkeiten, denn auch die USA haben sich ja aus den Fesseln des Vereinigten Königreichts gelöst. Sie sammelt Geld für ein Denkmal von Wolfe Tone und versucht, eine laute Stimme gegen die englische Propaganda zu sein. Sie überzeugt mit ihren emotionalen Auftritten auf die Presse:

The beautiful patriot is a disctinctly modern product. She believes firmly in the axiom, “The pen is mightier than the sword” and it is to the press and the lecture-platform that she looks to for the liberation if Ireland rather than to deeds of physical prowess.

Die Töchter Irlands

Im Jahr 1900 gründet Maud Gonne mit einigen Mitstreiterinnen eine nationalistische, revolutionäre Frauenorganisation namens Inghinidhe na hÉireann, was „die Töchter Irlands“ bedeutet. Sie hat keine Lust mehr, bei den Männerclubs anzufragen, ob sie Mitglied werden darf. Das Wahlrecht für Frauen wird übrigens erst 1918 eingeführt.

Feministische Themen spielen jedoch in der Organisation keine große Rolle. Sie beschränken sich – mit Gonne als Präsidentin – auf nationalistische Themen: So sollen irische Hersteller unterstützt und bekannter gemacht werden. Die Zirkulation irischer Literatur soll gestärkt werden, während der Einfluss englischer Literatur verringert werden soll. Sie konzentrieren sich vor allem auf Kinder, die in der Schule durch die englischen Herrscher „indoktriniert“ werden, und bieten kostenlose Kurse zu irischer Geschichte, Sprache, Musik und Tanz an. Die Jungen sollen schwören, niemals in die englische Armee einzutreten – und die Zahlen verringern sich tatsächlich.

Inghinidhe na hÉireann wird später offiziell Teil von Cumann na nGaedheal („Bündnis der Gälen“), einer politischen Vereinigung, in der sich alle bestehenden nationalistischen Gesellschaften in einer offen separatistischen Bewegung zeigen. 1907 schließt Cumann na nGaedheal sich dann mit der Partei Sinn Féin zusammen.

Das Abbey Theatre und Maud in der Hauptrolle

Im Jahr 1904 wird in Dublin das Abbey Theatre eröffnet und zum Spielort des Irish Literary Theatre. Gegründet wurde es von W. B. Yeats, Lady Gregory (Isabella Augusta Gregory, einer Dramatikerin und Folkloristin) und Edward Martyn (Dramatiker und später Politiker der Sinn Féin).

Maud Gonne spielt die Hauptrolle in Yeats’ Stück Cathleen ni Houlihan, das zu einem ikonischen Stück nationalistischer Propaganda wird. Cathleen ist ein mythisches Symbol – eine alte Frau, die die Hilfe der jungen irischen Männer braucht, um Irland von den Kolonialisten zu befreien. Nach dem Sieg Irlands wird sie wieder jung und schön. Hier finden sich Anklänge an heidnische Konzepte der saisonalen Verjüngung und an das Konzept einer Märtyrerin. Später nutzt auch die IRA diese Figur, Joyce erwähnt sie, außerdem wird sie in zahlreichen Folksongs und Gedichten erwähnt.

Das Stück ist so erfolgreich, dass das Theater nach einer Woche geschlossen wird, unter dem Vorwand, der Verkehr vor dem Theater blockiere alles. Doch im Grunde ist es zu aufrührerisch. Ein Kritiker meint, solche Stücke dürfe man nur produzieren, wenn man damit einverstanden sei, dass junge Männer in den Krieg ziehen, „to go out to shoot and be shot“. Aber auch Frauen lassen sich von der Propaganda begeistert, da Cathleen als Frau eine so wichtige Rolle spielt.

Von Millevoye zu MacBride

Maud Gonne wird um diese Zeit immer militanter, befürwortet Gewalt zu politischen Zwecken und sagt zum Beispiel auch, dass es kein Diebstahl ist, wenn eine Person ein Schaf stiehlt, weil sie Hunger hat. Millevoye und sie driften politisch auseinander, aber auch privat (er hat eine andere, jüngere Geliebte), und so trennen sie sich. Wenig später geht Gonne 1901 mit 35 Jahren eine Beziehung zu John MacBride ein.

MacBride stammt aus dem County Mayo, ist ebenfalls Nationalist und wird ebenfalls von der Polizei verfolgt. Er kämpft in Südafrika im Zweiten Burenkrieg, wo England versucht, zwei weitere Gebiete in das britische Reich einzugliedern. Irland kämpft auf der Seite der Buren.

John MacBride kehrt als militärischer Held zurück, doch eine geplante politische Karriere schlägt fehl. Er wendet sich dem Journalismus zu, um damit sein Geld zu verdienen.

Warum Maud Gonne ihn heiratet? Zu dieser Zeit ist sie wohl von ihrem unsteten Leben erschöpft. Vielleicht wünscht sie sich selbst nach der stets illegitim gebliebenen Beziehung mit Millevoye mehr Stabilität, vielleicht auch für ihre älter werdende Iseult. Die jedoch kann MacBride nicht ausstehen, und seine Familie rät ihm auch von der Hochzeit ab.

Maud Gonne wird für ihn Katholikin und kann somit endlich der Kritik ein Ende setzen, ihr Einsatz für Irland sei fragwürdig, weil sie in England geboren und Protestantin bzw. Mitglied der Church of England sei. Persönlich war die Konvertierung für sie kein wichtiger Schritt. (Aussagen dazu, wie die katholische Kirche gerade junge, arme Frauen behandelte – sie in Arbeitshäuser steckte und zwang, ihre unehelichen Kinder aufzugeben –, sind von ihr nicht zu finden.)

Kurzes Eheleben

Die Hochzeit findet 1903 in Paris statt, allerdings im englischem Konsulat, da auf diese Weise andere Gesetze gelten: Mit einer englischen Eheschließung kann sie ihr eigenes Vermögen behalten, anstatt es an ihren Ehemann abgeben zu müssen.

MacBrides Brautführer trägt die Flagge der irischen Transvaal-Brigade, Gonnes Brautjunfer die blaue Flagge der Töchter Irlands. Spottend wird die Hochzeit als „politisches Theater“ bezeichnet.

Ihre Hochzeitsreise verbringt das frischgebackene Ehepaar auf Gibraltar. Zur gleichen Zeit ist dort ein wichtiger Gast zu Besuch: der englische König Edward VII. Der Plan ist es, ihn in einem Attentat zu töten, doch John MacBride ist zu betrunken, um dem König auch nur nahezukommen.

Im Jahr 1904 kommt der gemeinsame Sohn Seán MacBride zur Welt. Ein Freund des Vaters schreibt: „Der König von Irland“ ist geboren. Soweit kommt es zwar nicht, aber Seán MacBride erhält 1974 den Friedensnobelpreis für die Gründung von Amnesty International.

Die Eltern lassen sich schon 1905 wieder scheiden. Sie wirft ihm Trunkenheit und häusliche Gewalt, eventuell sogar sexuelle Belästigung ihrer Tochter und/oder weiblichen Hausangestellten gegenüber vor. Er echauffiert sich über ihre sexuelle Vorgeschichte und ihre ständigen Lügen. Eine Scheidung ist in nicht möglich, aber eine offizielle, gerichtliche Trennung erfolgt.

Kurz hat das Paar als das Dream Team der irischen Unabhängigkeitsbewegung gegolten. Damit ist es nun schon wieder vorbei, viele sehen in ihrer öffentlichen Trennung eine Beschädigung der „Sache“.

Ihr Leben wird ruhiger …

Maud Gonne bleibt mit ihren Kindern in Paris, damit die weder mit dem Vater noch mit England etwas zu tun haben müssen. Ihr Leben wird ruhiger, als sie sich ein Sommerhaus in der Normandie kauft und bei großen Namen Zeichnen lernt. Sie bleibt jedoch auch noch sozial aktiv und setzt sich zum Beispiel für Schulessen für arme Kinder ein.

Im Jahr 1904 beenden England und Frankreich im Rahmen der Entente Cordiale ihre Rivalitäten, um gemeinsam stärker gegen Deutschland auftreten zu können. Maud Gonnes Argumentation des gemeinsamen Feinds hat nun nach vielen Jahren keine Basis mehr.

… das Leben in Irland jedoch nicht

Im Jahr 1913 kam es in Dublin zu einem großen Streik, ausgehend von den Arbeitenden der Guinness-Brauerei und der Dublin United Tramway Company, die eine Gewerkschaftsbewegung gründen wollten. Dies wuchs sich zu den schwerwiegendsten sozialen Auseinandersetzung in der Geschichte Irlands aus, als zehntausende Arbeitende sieben Monate lang von ihren Arbeitsplätzen ausgesperrt wurden (Lockout).

Die Streikenden mussten schließlich nachgeben und Verträge unterzeichnen, dass sie keiner Gewerkschaft beitreten würden. Maud Gonne sagt in diesem Zusammenhang, dass sie inzwischen mit Home Rule statt der Unabhängigkeit Irlands zufrieden sei, also mit einer Selbstverwaltung des Landes, da doch immer vor allem die Ärmsten und Kinder unter solchen Aktionen leiden. 1914 wird Home Rule tatsächlich kurzzeitig eingeführt, doch mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs bald wieder zurückgenommen.

Dann kommt es 1916 zum Osteraufstand oder Easter Rising. Der Aufstand schlägt fehl, gilt aber als Wendepunkt in der Geschichte, der zur Unabhängigkeit als Irischer Freistaat 1922 führt. Militante irische Republikaner wollen die Unabhängigkeit gewaltsam erzwingen und erobern zu Ostern 1916 verschiedene Gebäude und Knotenpunkte in Dublin und proklamieren die Republik. Etwa 500 britische Soldaten verlieren ihr Leben und etwa doppelt so viele Ir:innen (einschließlich Zivilist:innen). Der materielle Schaden wird auf 2.500.000 Pfund beziffert.

Die irische Bevölkerung ist anfangs von der Gewalt abgeschreckt, aber als die britische Regierung brutal zurückschlägt und sechzehn der Aufständischen hinrichtet, gilt die Unterstützung doch bald den Republikanern. Der Osteraufstand ist zudem die Geburtsstunde der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), einer paramilitärischen Untergrundorganisation, die erst die Unabhängigkeit und dann das Ende der Spaltung Irlands verfolgt, mit Sinn Féin als politischem Arm.

MacBride, der späte Held

Maud Gonne und ihre Tochter Iseult sind während des Ersten Weltkriegs als Krankenschwestern in Frankreich tätig. Gonne überlegt, in die USA auszuwandern, weil sie glaubt, dass Europa lang nicht mehr lebenswert sein wird: „This war is an inconceivable madness which has taken hold of Europe. It is unlike any war that has ever been … the victor will be nearly as enfeebled as the vanquished.“

In Frankreich hört sie von dem fehlgeschlagenem Militäraufstand in Dublin und dem Arrest der führenden Männer. Wer eher zufällig hineingeraten war, war John MacBride. Doch das hält England nicht davon ab, ihn ebenfalls als Verräter hinzurichten.

Maud Gonne bekommt keinen Pass, um nach Irland zu reisen, denn die Engländer wollen mit ihr nicht noch eine Aufrührerin im Land haben. So kann sie den Angehörigen nur Geld senden und über die Heldentaten der Männer schreiben. Sie nutzt jetzt auch wieder den Nachnamen MacBride.

Im Jahr 1917 schafft sie es nach England und reist von dort aus heimlich nach Irland weiter. Sie wird jedoch bald verhaftet. Währenddessen sterben sowohl ihre Schwester Kathleen, mit der sie stets in engem Kontakt geblieben ist, und auch Lucien Millevoye. Ihre Gesundheit leidet, und nach einigen Monaten (möglicherweise war sie in einen Hungerstreik getreten und die Briten wollten sie nicht als Märtyrerin sterben lassen) wird sie in ein Sanatorium entlassen. Nun kann sie auch aus erster Hand berichten, wie schlecht politische Gefangene in irischen Gefängnissen handelt werden. Sie protestiert gegen die Zwangsernährung der Hungerstreikenden.

Der Irische Freistaat entsteht

Von 1919 bis 1921 tobt in Irland der Unabhängigkeitskrieg. Die „alte“ IRA (wie sie heute genannt wird) kämpft mit Guerillataktiken gegen die britische Regierung. Auch Gonnes Sohn Séan ist Mitglied der IRA, der es gelingt, die Massen zu mobilisieren. Viele Arbeiter und Landarbeiter beteiligen sich. Trotz der Gewalt – Plünderungen, Bränden, Tötungen von Zivilist:innen und Politikern – hat die IRA bald die Unterstützung der Bevölkerung, da England mindestens genauso brutal zurückschlägt.

Das Ende des Krieges ist ein Waffenstillstand und schließlich der Irische Freistaat, also der Vorgänger der heutigen Republik Irland, die 1937 entsteht. Der Irische Freistaat bleibt ein dominion: innen- und außenpolitisch autonom, gleichberechtigt, in keiner Weise untergeordnet und dennoch verbunden durch eine common allegiance to the crown. Nordirland jedoch tritt sofort wieder aus und kehrt aus politischen und religiösen Gründen ins Vereinigten Königreich zurück.

Gonne wird pazifistisch

Nach dem Krieg lebt Maud Gonne in Roebuck House, einem Zentrum für IRA-Aktivitäten, das sich als Marmeladenfabrik „verkleidet“. Ihr Sohn Séan lebt ebenfalls dort. Tochter Iseult hingegen heiratet mit Francis Stuart einen Revolutionär und Nazi-Sympathisanten und geht nach England.

Die neue irische Regierung ist leider fast genauso brutal wie die englische und sperrt Protestierende ein. Maud Gonne setzt sich weiter für Gefangene ein, kann aber nicht mehr so überzeugen wie früher. Sie trägt einen langen schwarzen Schleier und tritt melodramatisch als „die ewige Witwe“ MacBrides auf. Manche bewundern sie weiterhin, andere verspotten sie und nennen sie „Maude gone mad“.

Gonne wird im Alter pazifistisch und Fan von Mahatma Gandhi. Sie gründet oder unterstützt die Women’s Prisoners’ Defence League und den Irish Republican Prisoners Dependents’ Fund sowie ein Erholungsheim für Entlassene, die nach ihren Hungerstreiks wieder auf die Beine kommen müssen.

Auch Einrichtungen für Geflüchtete aus Nordirland organisiert sie, da dort die Lebensbedingungen für Katholik:innen immer schlimmer werden: Nicht nur werden sie wirtschaftlich benachteiligt und politisch nicht repräsentiert. Ihre Kirchen werden zerstört, und radikale Organisationen wie die Orangemen und die Freemasons of Belfast führen regelrechte Pogrome durch.

Maud Gonne verfasst ihre Autobiografie mit dem ironischen Titel A Servant of the Queen und stirbt 1953 mit 86 Jahren an einem Herzstillstand. Sie erhält ein Staatsbegräbnis.

Die Muse von Yeats

Welche Rolle spielt William Butler Yeats in Maud Gonnes Leben?

Yeats gehört heute neben Jonathan Swift, Laurence Sterne, Oscar Wilde, George Bernard Shaw zu den wichtigsten Dichtern dieser Zeit. Als er Maud Gonne zum ersten Mal begegnet, ist er erst 23 Jahre alt und verliebt sich sofort in sie.

Er wächst in London auf, in einer eigentlich wohlhabenden Familie, aber sein Vater ist Maler (durchaus erfolgreich – mehrere seiner Porträts hängen heute in der National Gallery), und sie haben oft finanzielle Probleme. Die Familie mütterlicherseits hat mit der geistigen Gesundheit zu kämpfen, und Yeats’ Mutter ist für ihn und seine Geschwister emotional nicht erreichbar. Sie verbringen viel Zeit bei Großeltern, und später findet Yeats in Lady Gregory auch eine mütterliche Freundin, die ihn seelisch und finanziell unterstützt.

Maud Gonne interessiert sich für die Familie, denn auch Yeats’ Schwestern Lily und Lolly (Elizabeth und Susan Mary) sind künstlerisch veranlagt.

I was twenty-three years old when the troubling of my life began … I had never thought to see in a living woman so great a beauty. It belonged to famous pictures, to poetry, to some legendary past.

Das schreibt Yeats über die schöne Frau, die eines Tages bei ihnen vor der Tür steht. Doch er ist jung und hat kein Geld und kann sie nicht heiraten. Das hindert ihn nicht daran, ihr viermal einen Antrag zu machen. Sie weist ihn ab. Einmal sagt sie, sie habe Angst vor der körperlichen Liebe. Ein anderes Mal beteuert sie ihn, dass er so wunderschöne Poesie aus dem mache, was er sein Unglücklichsein nenne. Eine Ehe sei viel zu langweilig, und Dichter sollten niemals heiraten. Die Welt solle ihr stattdessen danken, dass sie ihn nicht heiratet. Sie spricht von einer spirituellen Ehe oder bezeichnet sie als Bruder und Schwester.

I have loved a queen beyond measure and exceeding long …

Yeats bleibt trotz der Abweisungen von ihr besessen und versagt sich andere Beziehungen. Gleichzeitig profitiert natürlich seine Dichtkunst, denn sie ist seine Muse. Er schreibt auch selbst, dass er, als der gequälte Künstler, seine Gedichte nie geschrieben hätte, wenn Maud ihn erhört hätte:

Had she done so who can say / What would have shaken from the sieve? / I might have thrown poor words away / And been content to live.

Yeats ist in seinen frühen Jahren ebenfalls Nationalist und Patriot und möchte ein irischer Victor Hugo werden. Hugo hatte sich in Frankreich gegen Napoleon Bonaparte aufgelehnt, als der sich 1852 zum Kaiser ernannte. Später bedauert Yeats aber, dass er versucht habe, Kunst und Politik bzw. Propaganda zu vermischen. Für Maud Gonne ist das ihr Leben lang der richtige Weg.

Yeats hat oft Angst um sie, weil sie Menschenmengen und Action liebt. Nach der Gegendemonstration zu Queen Victorias Jubiläum hält er sie körperlich davon ab, in einen Straßenkampf zu geraten, und sie nimmt ihm das sehr übel, weil sie einer totgetrampelten Frau hätte helfen können. Für sie ist das Feigheit, und vor allem will sie sich von Yeats genauso wenig sagen lassen wie von Millevoye oder irgendeinem anderen Mann.

Sie sprechen über vieles und reisen zusammen. Sie interessieren sich für und praktizieren Okkultismus und probieren Opium und Kokain aus, was in der Zeit beides legal ist. Sie beschäftigen sich mit Mystizismus und irischen Volkssagen, die auch in seinem Werk eine große Rolle spielen. Sie verteidigen sich gegenseitig bei aufkommenden Gerüchten oder politischen Angriffen. Von Millevoye und den Kindern weiß Yeats lange Zeit nichts – oder will nichts wissen, denn Gerüchte gibt es natürlich. Sie erzählt ihm offiziell von der langen Beziehung, als die gerade vorbei ist. Und küsst ihn. Ihre Art einen Antrag zu machen, der er nur noch aussprechen muss. Doch er kann nicht richtig reagieren, ist zu langsam und ihr nicht „heißblütig“ genug, und so findet sie bald mit John MacBride einen neuen Mann. Dennoch bleiben sie ihr Leben lang befreundet und vertraut.

Eines von vielen Gedichten soll hier zum Schluss Yeats’ Gefühle für Maud Gonne zeigen:

He Wishes for the Cloths of Heaven
Had I the heavens’ embroidered cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half light,
I would spread the cloths under your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.

***

Quellen:
Kim Bendheim: The Fascination of What’s Difficult. A Life of Maud Gonne, OR Books 2021.
Margery Brady: The Love Story of Yeats & Maud Gonne. The Mercier Press 1990.
Trish Ferguson: Maud Gonne, University College Dublin Press 2019.
Maud Gonne: A Servant of the Queen. University of Chicago Press 1995.
Elsemarie Maletzke: Maud Gonne. Ein Leben für Irland, Insel Verlag 2016.
‘The Famine Queen’ by Maud Gonne (1900) – Saoirse Éireann

Artwork und Musik: Uwe Sittig
Frauenleben-Hosts: Susanne Popp und Petra Hucke 
Podcast-Website: Frauenleben-Podcast 
Instagram: https://www.instagram.com/frauenleben.podcast/

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