Der Multiple-Sklerose-Podcast

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Beratung, Gespräche und Nachdenken

February 28, 2012

Mit Hilfe von Beratung, Gesprächen und vielem Nachdenken konnte die ehemalige Sozialarbeiterin ihre Krankheit Multiple Sklerose akzeptieren. - Und irgendwann kam sie an den Punkt, dass sie es als Luxus empfand, in Rente zu sein.

Hier können Sie die Geschichte lesen:

Ich bin heute 63, die Diagnose habe ich bekommen mit 43. Wobei es den Verdacht schon länger gab, eigentlich schon, als ich so Mitte 20 war, da hatte ich so merkwürdige Gefühlsstörungen. Da wusste aber dann niemand was es ist, dann habe ich Vitamin B bekommen und Krankengymnastik und so und dann war das wieder weg. Und dann habe ich es vergessen. Und mit Anfang 40 hatte ich plötzlich ein ganz lahmes, nicht ganz lahmes Bein, aber ein sehr, SEHR gefühlsgestörtes Bein. Also konnte schlecht gehen, habe beim Gehen meinen Schuh verloren, also bin im Sommer und habe das gar nicht gemerkt. Oder mir sind Sachen aus der linken Hand gefallen und ich habe es nicht gemerkt. Also die linke Hälfte war betroffen. Der Arm fühlte sich an, wie aus Beton. Naja, und dann kam die ganze Ärztetour bis dann klar war, was es ist.

Vor der Diagnose kannte ich niemanden, der damit gut lebt. Ich hatte nur so Schreckensvorstellungen. Ich weiß, dass ich ungefähr ein Jahr damit zu tun hatte, mich in meinem neuen Leben zurechtzufinden. Ja, ungefähr ein Jahr. Also das mischt sich so, dieser Schrecken, dass ich sofort im Rollstuhl lande, der ist schneller weg. Was heißt schneller, ich war ja gleich in der Selbsthilfegruppe und in der Beratungsstelle und so und ich weiß gar nicht, konnte man da schon googeln? (Lachend) Ich erinnere mich nicht. (Lacht) Jedenfalls also ich habe mich informiert, so gut es ging und habe da dann relativ schnell nicht mehr gedacht, dass ich gleich im Rollstuhl lande. Aber Wochen oder Monate hat das sicherlich auch gedauert. Aber dann eher so diese Einschränkungen. Die habe ich jetzt VIEL mehr wahrgenommen, also wo ich vorher dachte, "Ich bin eben müde", oder keine Ahnung. Dann dachte ich dann immer "AH! und jetzt ist es schlimmer geworden und die Krankheit wird größer" und so. Die Krankheit war im Mittelpunkt und ich habe alles, alles, was in Anführungs- strichen "nicht normal" war, auf die Krankheit bezogen. So. Ich habe angefangen NOCH bewusster zu essen, also nicht ganz krass, aber schon ein bisschen mehr zu achten und weniger Alkohol getrunken. Also ich war keine Trinkerin, aber ich habe so ganz locker wochenends und abends mit Freunden so schon viel getrunken, oder regelmäßig. Und geraucht habe ich da also schon länger nicht mehr, das brauchte ich nicht aufzuhören. Aber ich habe halt geguckt, dass ich mehr auf mich achte und auch mehr und regelmäßiger schlafe und Ruhepausen einhalte und so. Und ich habe meinen Job aufgegeben. Ich war Sozialarbeiterin und alleinerziehende Mutter und es war sehr anstrengend, also es war alles Stress und ich habe gedacht, ich könnte irgendwie halbtags irgendwas machen, was sich dann aber als Trugschluss herausgestellt hat. Ich habe es erst eine Weile versucht, so drei, vier Jahre, es war schwierig, überhaupt einen anderen Job zu finden, weil sich das - also ich war Sozialarbeiterin - und das wusste jeder. Also in dieser gewissen Szene, die ist halt nicht groß, das spricht sich rum, und ich brauchte mich eigentlich gar nicht mehr zu be- werben, also ich hätte dann da bleiben müssen, wo ich war. Und ich hatte mir das einfacher vorgestellt. Und ich habe dann alles Mögliche gemacht, ich bin Taxi gefahren und habe, was weiß ich, so Einzelbetreuungen gemacht und weiß der Kuckuck. Und das war aber dann alles zu anstrengend. Ich habe gemerkt die Konzentration hat nachgelassen, ich konnte ganz schlecht lange zuhören, ich konnte auch zum Beispiel keine Sitzungen leiten oder so. Ich habe dann vergessen, worum es eigentlich geht.

Früher, also vor zehn Jahren, bin ich immer noch "Was, jetzt schon in Rente?", und so, da war das ein anderes Thema. Und jetzt bin ich alt und alle hab