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E77: Wie funktioniert guter, unabhängiger Journalismus in digitalen Zeiten? – Alexandra Borchardt und Ulrike Dobelstein-Lüthe  (Hamburg Media School / Digital Journalism Fellowship)

July 07, 2020

Verlage klagen seit langem darüber, dass die Digitalisierung ihr klassisches Geschäftsmodell zerstört: Einerseits wollen viele Userinnen und User nicht für digitale Inhalte bezahlen. Andererseits fließt ein großer Teil des Geldes, das Unternehmen für digitale Werbung ausgeben, heute an Facebook, Google und Co. Und schließlich hat sich auch der Medienkonsum vieler Leserinnen und Leser verändert: Neue Kanäle und Plattformen sind hinzugekommen, aber auch neue Akteurinnen und Akteure außerhalb der klassischen Medien, etwa Bloggerinnen und YouTuber, informieren – mal mehr und mal weniger seriös – über das Weltgeschehen.
Was also können Medienhäuser tun, um ihr Publikum auch künftig zu erreichen, um eine größere Diversität innerhalb der Leserschaft zu erzielen und vor allem: um weiterhin unabhängigen, qualitativ hochwertigen Journalismus zu liefern?
Genau darüber haben wir mit Alexandra Borchardt und Ulrike Dobelstein-Lüthe vom Digital Journalism Fellowship (DJF) gesprochen. Das DJF ist ein Weiterbildungsprogramm der Hamburg Media School für Journalistinnen und Journalisten. Auf dem Lehrplan stehen Module, die das gesamte Spektrum des digitalen Journalismus – vom mobilen Storytelling über Entrepreneurial Thinking bis hin zu digitaler Medienethik – abdecken.
Journalismus ist keine Einbahnstraße
Die Digitalisierung hat zahlreiche, mitunter tiefgreifende Auswirkungen auf den Journalismus. Eine der wesentlichsten ist laut Borchardt, die für die inhaltliche Ausgestaltung des DJF zuständig ist, dass Journalismus nicht länger eine Art Einbahnstraße ist. Früher ist die Kommunikation meist nur in eine Richtung verlaufen: „Man predigte so ein bisschen zu seinem Publikum“, so Borchardt. Hin und wieder habe man vielleicht mal jemanden in eine Talkshow eingeladen, aber ein wirklicher, gleichwertiger Austausch habe nicht stattgefunden. Das sei heute anders: Heute stünden Journalisten im direkten Dialog mit ihrem Publikum. Das könne manchmal anstrengend sein. Gleichzeitig könnten beide Seiten aber auch sehr viel voneinander lernen.
Die digitale Transformation wirkt sich aber nicht nur auf den Journalismus an sich aus. Auch die Art der Zusammenarbeit in den Redaktionen verändert sich. Die Corona-Krise und das damit einhergehende umfassende ortsübergreifende Arbeiten haben das besonders deutlich gemacht. „Wir merken das erste Mal, was ‚remote arbeiten‘ eigentlich wirklich heißt“, sagt Dobelstein-Lüthe, die den administrativen Bereich rund um das DJF verantwortet.
Machtverhältnisse verändern sich
Durch digitale Tools seien dezentrale Redaktionen möglich und dadurch würden sich auch die hierarchischen Strukturen verändern. „Digitalisierung stellt Machtverhältnisse nicht unbedingt auf den Kopf, aber sie schafft zum Teil neue Machtverhältnisse“, ist Borchardt überzeugt und illustriert das an einem Beispiel: Früher hätten oft die Kolleginnen und Kollegen mit dem kürzesten Weg zum Meeting-Raum mehr Einfluss in der Besprechung gehabt, weil sie dichter an der Redaktionsleitung dran gewesen seien. Durch die digitalen Meetings seien nun auf einmal alle gleich weit voneinander entfernt. Und auch der Raum, den die Teilnehmenden einnehmen, ist nun gleich groß, weil alle auf eine digitale „Kachel“ in der Konferenz beschränkt seien. Dadurch würde viel mehr Gleichheit geschaffen. Diese Gleichheit, die durch die identischen Kacheln entsteht, ist für Borchardt ein Symbol für einen Kulturwandel und eine neue Zukunft, die die Medienhäuser hoffentlich beschreiten.
Viele Verlage haben diesen Kulturwandel dringend nötig. Nicht nur, weil sie agiler werden und mehr experimentieren sollten, sondern auch weil es noch immer an Diversität und Gender Equality mangelt. Gerade in deutschen Medienhäusern ist es um diese beiden Themen nicht gut bestellt. Die Medienbranche hierzulande sei noch immer „sehr männlich geprägt“, so Borchardt. So habe die Initiative Pro Quote 2019 Zahlen veröffentlicht,