Frauenleben. Inspirierende Frauen und ihre Zeit.

Frauenleben. Inspirierende Frauen und ihre Zeit.


Alice Augusta Ball (1892–1916)

January 07, 2021

Die afroamerikanische Chemikerin Alice Augusta Ball fand ein Wirkmittel gegen Morbus Hansen – eine Krankheit, die wir besser unter dem Namen Lepra kennen und die noch immer mit einem großen Stigma einhergeht. Würdigung dafür erhielt die junge Frau viel zu spät.

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Eigentlich dachten wir, dass wir interessante Frauen, über die wir nicht ausreichend Informationen für eine ganze Podcast-Folge finden, lediglich in einem Blogartikel vorstellen, wie ich es zum Beispiel mit Dr. Marie Maynard Daly und Frances Oldham Kelsey gemacht habe. Aber Alice Ball ist mir irgendwie so sympathisch, dass ich ausführlicher über sie reden möchte.

Sie wird im Juli 1892 in Seattle in eine recht wohlsituierte Familie geboren und kommt vielleicht im Fotolabor ihres Großvaters James Presley Ball zum ersten Mal mit Chemikalien in Kontakt. Diese werden sie ihr weiteres (kurzes) Leben faszinieren.

Sie geht zur High School und studiert als eine von wenigen Frauen (erst in Seattle, dann in Honululu) pharmazeutische Chemie und Pharmazie. Noch bevor sie ihr Masterstudium beginnt, kann sie eine erste wissenschaftliche Veröffentlichung im renommierten Journal of the American Chemical Society vorweisen: Beonzylations in Ether Solution – zu dieser Zeit eine außergewöhnliche Leistung. Ihre Masterarbeit schreibt sie über die aktiven Bestandteile des Kavapfeffers. Sie ist die erste Frau, die am College of Hawaii einen Mastertitel erhält, und auch die erste schwarze Studentin.

Quelle: knkx.org

Daraufhin arbeitet sie dort als Dozentin und bekommt gleichzeitig eine Stelle in einem Labor von Harry T. Hollmann angeboten, der zu dieser Zeit herausfinden möchte, wie man mit Chaulmoograöl Lepra behandeln kann. Mit ihren 20 Jahren muss Alice Ball eine zielstrebige, intelligente Frau gewesen sein, die trotz der doppelten Arbeitslast bald herausfand, wie man – Achtung, Chemie – die Ethylester der zwei in diesem Öl enthaltenen Fettsäuren (nämlich Chaulmoograsäure und Hydrocarpussäure) bei niedrigen Temperaturen trennen kann, sodass sie wasserlöslich werden und injiziert werden können.

Bevor sie diese Ergebnisse jedoch veröffentlichen kann, atmet sie wohl in ihrem Unterricht Chlorgas ein, wird schwer krank und stirbt 1916 mit nur 24 Jahren. Man wird sich wohl immer fragen müssen, was sie noch hätte erreichen können.

Nach ihrem Tod übernimmt Dr. Arthur L. Dean – ebenfalls Chemiker und gleichzeitig Präsident des College of Hawaii – ihre Arbeit. Es wird ein Medikament hergestellt und in großen Mengen verkauft und erfolgreich verabreicht. Dean veröffentlicht die Ergebnisse als seine eigenen, Alice Ball erwähnt er nicht einmal. Erst später wird ihr Name von einem anderen Forscher in einer Publikation genannt, und die „Dean-Methode“ wird zur „Ball-Methode“ umbenannt – und bleibt bis in die 1940er die beste Behandlungsmethode. Im Podcast erzähle ich mehr über die berühmt-berüchtigte Lepra-Kolonie Kalaupapa auf Hawaii.

„Wiederentdeckt“ wird Alice Ball von Dr. Kathryn Takara von der University of Hawaii, die 1977 mit der Erforschung schwarzer Frau in Hawaii beginnt, und von Stanley Ali, einem pensionierten Beamten, der sich mit der Geschichte der Schwarzen auf Hawaii beschäftigt. Er hat auch dafür gesorgt, dass ein Porträt von Alice Ball in der Hamilton Library (Teil des Uni-Campus) aufgehängt ...